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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Erdschrecken


... was haben wir getan?. In Kooperation mit Raubtier- und Exotenasyl Ansbach/Wallersdorf
2017. 428 S. 19 SW-Abb., 3 SW-Abb. 210 mm
Verlag/Jahr: SHADODEX-VERLAG DER SCHATTEN 2017
ISBN: 3-946381-26-X (394638126X)
Neue ISBN: 978-3-946381-26-6 (9783946381266)

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"Nichts auf dieser Welt kann gerettet werden, wenn es nicht dazu bestimmt ist, gerettet zu werden."
(aus "Falsche Hoffnung" von Manuela Wunderlich)

Unsere Umwelt ist verschmutzt, die Luft ist verpestet, in den Gewässern schwimmt der Müll, die Wälder werden abgeholzt und immer mehr Tier- und Pflanzenarten fallen unserem Tun zum Opfer. Wird sich die Natur deshalb irgendwann rächen?
Müssen wir uns einst fragen: "Was haben wir getan?"
Welche Auswirkungen unser Verhalten eines Tages haben könnte, ist das zentrale Thema dieser Anthologie.
Lust auf unterhaltsame Geschichten, die aber auch zum Nachdenken anregen? Dann begleitet uns doch in eine
hoffentlich fiktiv bleibende Zukunft.
Vorwort
Über das Raubtier- und Exotenasyl

Manu Wirtz: Gaias Erbe verprasst
Michael Spiewack: Stammtischphilosophen
Eugene Hatwas: SuperHeavyMen
Nadine Roth: Die Stands
Sabine D. Jacob: Sie fressen
Stefan Lochner: Organismus
Manuela Wunderlich: Falsche Hoffnung
Andreas Peter: Wir waren
Alexander Schwamm: Schnee
Eva von Kalm: Verbrannte Erde
Mark Christjani: Fukushimas Geist
Karola Lempart: Erdschrecken
Lukas Vering: Fisch
Sam Freythakt: Die Rache der Schöpfung
Anke Becker: Zu spät
Holger Vos: Das Feld
Miriam Achtzehnter: Tag 183
Sabine Petersen: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Anja Seidl : Theaterstück: Aliens - auf der Suche nach der Menschheit (Auszug)
Auszug aus der Geschichte "Fisch" von Lukas Vering:

...
Eine Möwe landet auf der Reling gleich neben mir. Ihre blassrosafarbenen Schwimmhäute krallen sich um das runde Metall, ihre Augen fixieren mich mit dem neuen Möwenblick. Was einst so herrisch und fordernd war, ist nunmehr nichts als ein Flehen. Ich zische sie an, sie schlägt verhalten mit den Flügeln. Oben schreien ihre Kumpane. Sie sind verzweifelt, die Möwen. Die paar Unglücklichen, die immer noch über dem Kutter kreisen, wissen, dass sie uns ins Verderben gefolgt sind. Ihre alten Triebe haben sie verraten, haben sie in einem unbedachten Moment glauben lassen, alles wäre wie früher, sie müssten uns nur bis weit hinaus auf die See folgen, wo wir ihnen dann ein Festmahl aus den Meereswogen hinaufziehen würden, an dem sie sich laben könnten, bis es ihnen aus den vollen Kehlen wieder herausbricht. Das ist nicht mehr. Es gibt keine Festmähler mehr unter der salzigen Gischt. In den grünen Gewässern schwimmt nichts mehr, das wir mit unseren Netzen an Bord ziehen könnten. Zumindest nichts, das lebt. Die Möwen wissen das. Arme Dinger, die uns dennoch gefolgt sind. Vielleicht war es der Hunger, der sie ins Delirium trieb und ihnen eine Fata Morgana vom fetten Fischbüfett ins Erbsenhirn gesetzt hat. Nun werden sie hier draußen auf hoher See über uns kreisen und kreisen und kreisen, bis ihnen die Kräfte ausgehen und sie einfach hinabstürzen, hinein in das unendliche Graugrün. Die Möwe neben mir kreischt, als wüsste sie, was ich gerade über sie gedacht habe. Ihr Blick ist vorwurfsvoll, als wäre es meine Schuld, dass ihre Rasse bald nur noch aus toten Federklumpen an den leblosen Stränden dieser Erde bestehen wird. Vielleicht hat sie recht.

Das laute Dröhnen des Schiffshorns reißt uns auseinander. Die Möwe flieht zurück in den Kreisel ihrer sterbenden Artgenossen. Ich eile Richtung Bug - hektisch, erfüllt von dem schönen Gefühl der Hoffnung, dessen bitterer Nachgeschmack immer erst viel später einsetzt. Erst dann, wenn das Schiff wieder gen Land fährt und man erkennt, dass die Liebste längst in den Armen eines anderen liegt. Aber nicht heute, denke ich. Nicht wenn alles gut geht.
Ich erreiche die vorderste Spitze, noch bevor einer der anderen aus der Kajüte kriechen kann. Es dauert eine Sekunde, bis ich es erkenne, aber dann kann ich nichts anderes mehr sehen. Aufregung macht sich breit, zieht wie ein warmes Gefühl von der Brust aus in die Finger, die Lippen, die Nasenspitze. Dort, in vielleicht drei oder vier Kilometer Entfernung, schwimmt eine weiße Insel, wiegt sich im Takt des Meeres auf und ab, wartet nur darauf, von uns aufgefischt zu werden. Ich höre die trampelnden Schritte der anderen, in Gummistiefeln oder barfuß, doch bevor sie mir meinen Moment stehlen können, rufe ich aus voller Brust: "Plastik voraus! Plastik!"
...