buchspektrum Internet-Buchhandlung

Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
Schnellsuche
ISBN/Stichwort/Autor
Herderstraße 10
10625 Berlin
Tel.: 030 315 714 16
Fax 030 315 714 14
info@buchspektrum.de

Jeanette Jakubowski

Geschichte des jüdischen Friedhofs in Bremen


Überarb. Neuausg. 2017. 268 S. m. 67 Abb. 240 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2017
ISBN: 3-9593536-5-0 (3959353650)
Neue ISBN: 978-3-9593536-5-6 (9783959353656)

Preis und Lieferzeit: Bitte klicken


Die "Geschichte des jüdischen Friedhofs in Bremen" ist eine kulturgeschichtliche und historische Arbeit über 200 Jahre an einem besonderen Ort. Der Friedhof im heutigen Bremer Stadtteil Hastedt ist Denkmal jüdischer Kultur und der Lokalgeschichte der jüdischen Minderheit in Bremen. Seit seiner Gründung Ende des 18. Jahrhunderts hatte er vielfältige Funktionen: Ort der Pflege jüdischer und nichtjüdischer Traditionen, Ort des ungesicherten Bleiberechts, der Erinnerung und des Gedenkens, Schauplatz demonstrativer jüdischer Assimilation, nationaler Treue und religiöser Zugehörigkeit, demokratischer und antidemokratischer Bekenntnisse. Bekannte und unbekannte Familien und Personen sind hier bestattet. Ihre Biographien und Grabsteininschriften machen den Friedhof zu einem Ort, an dem nationale und lokale Geschichte in konkreten Schicksalen anschaulich werden.
Textprobe:
Der "Israelitische Krankenwohltätigkeits-Verein" und der "Israelitische Frauen-Verein":
Mit der 1848er Revolution und dem Inkrafttreten des "Gesetzes betreffend der Grundrechte der Juden" wuchs der jüdische Bevölkerungsanteil in Bremen. Um 1860 lebten ca. 18 jüdische Familien mit etwa 100 Personen in Bremen. Ihren Gottesdienst hielten sie in Privathäusern ab: zunächst im zweiten Stock eines Privathauses in Hastedt, Seit 1856 in der Marienstraße 12, ab 1865 in der Hankenstraße. 1861 lehnte der Senat unter Bürgermeister Carl Friedrich Mohr den Antrag der Kaufleute und Vorsitzenden der Israelitischen Gemeinde Abraham Hammerschlag und Jacob Hesekiel Abraham zum Bau einer zentral gelegenen Synagoge, "möglichst in der Nähe des Bahnhofs" ab. Mohrs judenfeindliche Begründung spricht für sich. Ungeachtet der nominellen Gleichberechtigung, betrachtete er die jüdische Religion als minderwertig gegenüber der christlichen und erklärte zu der Bitte der Gemeindevertreter: "Ich meine, daß sie abgeschlagen werden muss. Alles, was die Verfassung gewährt, geniessen sie. Eine anerkannte Religions-Gesellschaft sind sie nicht und stehen auch den christlichen 3 Konfessionen nicht gleich, können sich darauf nicht einmal de sequo berufen. Die reine Gutmütigkeit passt auch nicht hier, wo man principaliter von den Juden nichts wissen will. Man sollte sie daher ohne Phrasen, lediglich mit den Worten: Der Senat beschließt, 1. Dass dem Gesuch nicht zu willfahren sei, abweisen."
1871 gab es 321 jüdische Einwohner. 1880 gehörten 570 Personen zur Gemeinde, darunter einige kapitalkräftige Kaufleute. 1863 verlieh der "Hohe" Senat der jüdischen Gemeinde die Rechte einer juristischen Person und erkannte damit auch offiziell die jüdische Gemeinde an. Ihr offizieller Name ist nun "israelitische Gemeinde", erst seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nennt sie sich "Jüdische Gemeinde im Lande Bremen."
Erst 15 Jahre nach ihrem abgelehnten Antrag erwirbt die Gemeinde ein Etagenhaus an einem bescheidenen Platz, in der Gartenstraße 6 im Schnoor, und lässt es durch den Architekten Johann Dietrich Dunkel zur Synagoge umbauen. Auch nach dem Umbau ist sie "eher in dem Etagenhaus versteckt". Zur Einweihung der Synagoge kommen auch "einige Senatoren, der Präsident der Bremischen Bürgerschaft und mehrere freisinnige Prediger". Im gleichen Jahr erscheint zum ersten Mal der Gottesdienst der jüdischen Gemeinde unter dem Stichwort "öffentliche Gottesverehrung" Damit ist der Prozess öffentlicher Anerkennung durch den Bremer Staat zunächst abgeschlossen.
Der Prozess öffentlicher Anerkennung durch den Bremer Staat ist jedoch erst mit der Einweihung der Synagoge 1876 an einem bescheidenen Platz im Schnoor und der Aufnahme des jüdischen Gottesdienstes im Bremer Staatskalender im gleichen Jahr unter dem Stichwort "öffentliche Gottesverehrung" abgeschlossen. Es entwickelte sich parallel dazu ein Gemeindeleben, und gemeindeeigene Institutionen bildeten sich aus, zuerst vor allem Wohlfahrtseinrichtungen, seit der Jahrhundertwende zunehmend auch auf "Geselligkeit und Kultur" angelegte Vereine.
In der Stadt herrschten große "Vermögens- und Einkommensunterschiede" aufgrund der "weltweiten marktwirtschaftlichen Verflechtungen und Expansionen der Handelsunternehmen". Eliten und normale Bürger sonderten sich voneinander ab. Und es gab auch eine städtische Unterschicht, die im 19. Jahrhundert etwa 43% der Bevölkerung betrug und damit größer war als die soziale Mittelschicht und die Oberschicht. Die Mehrheit dieser "Armen" war allerdings in einem bürgerlichen Haushalt untergebracht, zum Beispiel als Hausangestellte, Gesellen und Lehrlinge oder Anverwandte und damit "entsprechend versorgt".