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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Antonia Kuhnert

Wer bin ich? Auswirkungen traumatischer Situationen auf die Identitätsentwicklung im Kindesalter


2017. 88 S. 8 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2017
ISBN: 3-9614653-1-2 (3961465312)
Neue ISBN: 978-3-9614653-1-6 (9783961465316)

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"Ich bin hübsch!" "Ich bin schlau!" "Ich bin hässlich!" "Ich bin in Ordnung!" "Ich bin dumm!" - Wer bin ich eigentlich?
Zu wissen, wer man ist, wie man sich fühlt und warum man so geworden ist, ist existenziell. Wohlbefinden und Lebenssinn können nur entstehen, wenn man das Gefühl hat, ein "Jemand" zu sein und sich und das eigene Verhalten versteht. Dies meint ein gelingendes Identitätsgefühl. Dieses Buch handelt von den Grundbausteinen der Identität und wie sie sich entwickelt. Es erläutert, was das Kind in der Entwicklung braucht, um ein gelingendes Identitätsgefühl zu bilden. Doch was passiert, wenn Trauma die Identitätsentwicklung durchdringt? Trauma meint ein Gefühl von Ohnmacht, das das eigene Verständnis erschüttern kann. Dieses Buch erklärt, auf welchen verschiedenen Ebenen sich Trauma auf das Kind und dessen Identität auswirken kann und warum dieses Wissen besonders für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, aber auch für alle anderen Menschen von Bedeutung ist.
Textprobe:
Kapitel 1.3.2 Autonomie vs. Scham und Zweifel:
Die zweite Stufe handelt von einem Gefühl von Autonomie, welches sich im ca. zweiten und dritten Lebensjahr entwickelt. (vgl. Schlegel 1978, S.253) "Mit Autonomie bzw. Unabhängigkeit bezeichnet man in der Psychologie einen Zustand von Selbständigkeit, Entscheidungsfreiheit oder Selbstbestimmung." (Stangl 2016) Das (bis jetzt von der Gesellschaft abhängige) Kleinkind hat das Bedürfnis etwas autonom "festhalten" und "loslassen" zu können. Der Körper entwickelt sich weiter, indem das Kind lernt zu laufen und Dinge gezielter greifen zu können, die Frühform der Stufe der Initiative. Es steht fest auf den Füßen und möchte nun den eigenen Willen durchsetzen. Zudem entwickelt es die Anfänge der Sprache. (vgl. Erikson 2015, S.76-78).
Bei dem Kind entsteht ein Lustgefühl an den Ausscheidungsorgangen, da sich in der Phase das Muskelsystem entwickelt, das diese Organe koordiniert. Das Kind soll lernen, das Festhalten und Loslassen der Organe (Blase und Darm/After) zu regulieren. Da der Kot nun geformter austritt als beim Säugling, erleichtert es das Festhalten bzw. Loslassen des Kots. (vgl. ebd., S.76-78) Aus der zu erlernenden Funktion ergibt sich die soziale Verhaltensweise des "Hergebens" und "Festhaltens". (vgl. Conzen 2010, S.69) Diese möchte das Kind üben, indem es die beiden Gegensätze mit verschiedenen Objekten abwechselnd ausprobiert. Es erforscht somit die Umwelt (vgl. Erikson 2015, S.76) und erlernt, u.a. durch das Beherrschen der Organe, Autonomie. (vgl. Conzen 2010, S.73) Wird das Kind zur Reinlichkeitserziehung gedrängt oder zeigen die Pflegepersonen bei nicht-gelingen negative Verhaltensweisen gegenüber dem Kind, so kann das zu einem Gefühl von Scham und Zweifel führen. Zeigen die Pflegepersonen Lob und lassen dem Kind Zeit sich zu entwickeln, kann das Gefühl (vgl. ebd., S.69) "etwas produzieren und auf Verlangen hergeben zu können, über die ´analen´ Lustempfindungen hinaus zu einem Gefühl des Stolzes und der Autonomie" (ebd.,S.69) entstehen. "Dieses Stadium wird deshalb entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Haß, Bereitwilligkeit und Trotz, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit." (Erikson 2015, S.78).
Die Entwicklung von Autonomie setzt ein Ur-Vertrauen voraus. Das Kind braucht ein sicheres Vertrauen als Basis, damit es den Willen durchzusetzen versucht und keine Angst entwickeln kann, dass diese Basis durch die Durchsetzung des eigenen Willens gefährdet wird. Zudem braucht es von den Pflegepersonen ein Gleichgewicht von Schutz und "machen-lassen". Das Kind soll vor Gefahren geschützt sein, aber in der Autonomie gestärkt werden, indem es eigene Erfahrungen machen darf. Es braucht genügend Freiraum um den eigenen Willen erproben zu können. Das Kind lernt, wie auch in der Stufe des Ur-Vertrauens, von den Bezugspersonen. Das heißt, die Autonomiebildung des Kindes hängt von dem Gefühl persönlicher Unabhängigkeit der Pflegepersonen ab, inwieweit bzw. auf welche Art sie Autonomie und Stolz haben und wie sie es an das Kind weiter geben (z.B. die soziale Position der Pflegepersonen zueinander und zum Staat: Gefühl von politischer Würde des Menschen, die auch in den Gesetzen wiedergegeben ist). (vgl. ebd., S.79, 85f) Daraus entwickelt das Kind ein ideales und ein negatives Selbstbild nach denen es handeln bzw. nicht handeln möchte. (vgl. Conzen 2010, S.70f) Also die Werte und Normen bzw. Rechte und Pflichten seiner Kultur (Wertesystem). (vgl. Erikson 2010, S.85).
Autonomie stärkt die Selbstsicherheit des Kindes und trägt beispielsweise zu der Durchsetzungsfähigkeit bei, die der Mensch in sozialen Interaktionen benötigt (z.B. um seinen Beruf verantwortlich ausüben oder eigene Meinungen vertreten zu können). (vgl. Conzen 2010, S.70f) Das Kind weiß nun, dass es ein Ich ist und einen Willen hat und haben darf. (vgl. Erikson 2015, S.87) So stellt sich die Antwort auf die Frage "Wer bin ich?": "Ich bin, was ich